Leitartikel Ausgabe 1/2024 

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Neue Nachhaltigkeitspflichten: Wie der Mittelstand die CSRD und ESRS umsetzen kann

Diplom-Chemieingenieurin Patricia Moock, Geschäftsführerin der 4L Impact Strategies GmbH 

Diplom-Chemieingeneurin
Patricia Moock

In einer Welt, die sich zunehmend der Bedeutung von Nachhaltigkeit bewusst wird, stehen mittelständische Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Geschäftsstrategien entsprechend anzupassen. Mit der Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) durch die Europäische Union werden Unternehmen regulatorisch verpflichtet, Nachhaltigkeit nicht nur als Teil ihrer Berichterstattung, sondern als zentralen Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie zu betrachten. Dieser Artikel beleuchtet die Bedeutung der CSRD und ESRS, ihre Auswirkungen auf mittelständische Unternehmen und wie diese effektiv darauf reagieren können.
Als Schlüsselthema des 21. Jahrhunderts dominiert die Nachhaltigkeit sämtliche Überlegungen in der Unternehmensführung. Die CSRD ist eine EU-Richtlinie, die die Art und Weise, wie Unternehmen über ihre Umwelt- und sozialen Auswirkungen berichten, grundlegend verändert. Sie entstand aus der Notwendigkeit, Unternehmen stärker für ihre Rolle in der Gesellschaft verantwortlich zu machen und sie dazu zu bringen, langfristige Nachhaltigkeitsziele zu setzen und zu verfolgen. Im Kern zielt die CSRD darauf ab, Transparenz und Verantwortlichkeit in Bezug auf ökologische und soziale Aspekte in der Unternehmensführung zu erhöhen. Die aktuelle Berichterstattung zur Nachhaltigkeit ist geprägt von unterschiedlichen Standards und Rahmenwerken, die einen Vergleich der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen, obgleich sie in derselben Branche agieren und eine ähnliche Größe aufweisen, unmöglich machen.
Hintergrund: Die CSRD ist Teil eines größeren Aktionsplanes, der insgesamt Finanzströme in die „grünere“ Richtung lenken soll. Finanzmarktteilnehmer, Banken und Versicherungen sind dazu selbst verpflichtet ihre Portfolios hinsichtlich Nachhaltigkeit (im Finanzmarkt spricht man hier von „ESG“ – Umwelt (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance)) zu bewerten und diese Informationen zu berichten. Jene fordern deshalb Informationen hinsichtlich Nachhaltigkeit von ihren Kredit- oder Darlehensnehmern an. Um diese Informationen in der EU strukturiert zu erheben, wird eine übergeordnete Struktur der Nachhaltigkeitsberichterstattung benötigt: die CSRD.
Die CSRD betrifft eine breite Palette von Unternehmen, darunter kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) sowie alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden. Dies markiert einen signifikanten Wandel, da nun auch der Mittelstand in die Pflicht genommen wird, seine Nachhaltigkeitsbemühungen offenzulegen.Wer gemäß CSRD berichtspflichtig ist, unterliegt auch der EU-Taxonomie
Die CSRD betrifft ab Geschäftsjahr 2024 zunächst kapitalmarktorientierte große Gesellschaften. Ab 2025 müssen auch nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen über soziale und ökologische Aspekte berichten, wenn sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: Bilanzsumme größer als 25 Millionen Euro, Nettoumsatzerlöse mehr als 50 Millionen Euro oder mehr als 250 Beschäftigte. Darüber hinaus sind ab 2026 auch kleine kapitalmarktorientierte Unternehmen betroffen, wenn sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: Bilanzsumme größer als 450.000 Euro, Nettoumsatzerlöse mehr als 900.000 Euro oder mehr als 10 Beschäftigte. Drittstaatenunternehmen mit einem Umsatz von 150 Millionen Euro in der EU müssen ebenso berichten, jedoch erst ab Geschäftsjahr 2028.
Dies führt zu einem geschätzten Anstieg der zahlungspflichtigen direkt berichtspflichtigen Unternehmen von 11.600 auf 49.000 EU-weit. Indirekt werden noch weitaus mehr Unternehmen betroffen sein. Es ist ein entscheidender Schritt hin zu einer umfassenderen und gleichmäßigeren Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Wirtschaft. 

Was ist neu an der Nachhaltigkeitsberichterstattung?
Im Vergleich zu früheren Berichterstattungsstandards fordert die CSRD von Unternehmen, Nachhaltigkeit nicht als Randthema, sondern als integralen Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie zu betrachten. Dies bedeutet, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele und -praktiken in Einklang mit ihren gesamten Geschäftszielen und -strategien bringen müssen. Die Berichterstattung sollte daher nicht nur die Einhaltung von Vorschriften dokumentieren, sondern auch zeigen, wie Nachhaltigkeit zur Wertschöpfung und zum langfristigen Erfolg des Unternehmens beiträgt.

Die Chancen der guten und frühzeitigen Vorbereitung auf die Berichterstattung
Die Auseinandersetzung mit den Anforderungen der CSRD und ESRS bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und nachhaltiger zu gestalten. Dies kann zu einer Reihe von Vorteilen führen, darunter niedrigere Kapitalkosten, da Investoren und Kreditgeber zunehmend Wert auf nachhaltige Praktiken legen. Ebenso können sich neue Geschäftsmodelle und Märkte ergeben, die auf nachhaltigen Prinzipien basieren. Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernst nehmen, können sich als Vorreiter in ihrer Branche positionieren, was wiederum zu einer stärkeren Kundenbindung und einer verbesserten Marktposition führen kann. Darüber hinaus ist Nachhaltigkeit ein zentrales Thema für das Anwerben neuer Mitarbeiter. Gerade die junge Generation legt großen Wert auf einen sichtbaren und authentischen Bezug zur Nachhaltigkeit ihrer Arbeit.
Durch eine frühzeitige Vorbereitung können Unternehmen jetzt die Nachhaltigkeit in ihre bestehenden Prozesse mit gemäßigtem Tempo integrieren. Denn das muss das erklärte Ziel sein: das Bestehende weitestgehend nutzen und anpassen und keine Schattenorganisation zur Nachhaltigkeit aufbauen. So entsteht kurz vor knapp keine Hektik und eine übermäßige Belastung der internen Organisation.

Die Wesentlichkeitsanalyse als Dreh- und Angelpunkt
Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse steht im Zentrum der Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeit eines Unternehmens und bildet einen wesentlichen Bestandteil der Anforderungen der CSRD. Diese Analysemethodik geht über die traditionelle Bewertung von Faktoren, die das Unternehmen finanziell beeinflussen können, hinaus. Sie berücksichtigt auch, in welchem Maße die Aktivitäten des Unternehmens wesentliche Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft haben.

Dieser zweigleisige Ansatz fordert von Unternehmen, nicht nur interne Risiken und Chancen, die sich aus ihren Nachhaltigkeitspraktiken ergeben, zu identifizieren und zu bewerten, sondern auch zu verstehen, wie ihre Geschäftstätigkeiten die externe Welt beeinflussen. Durch diese ganzheitliche Betrachtung erlangen Unternehmen ein tiefgreifenderes Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen ihren Geschäftsaktivitäten und der nachhaltigen Entwicklung. Die Ergebnisse der doppelten Wesentlichkeitsanalyse dienen somit als Grundlage für die Entwicklung einer umfassenden nachhaltigen Unternehmensstrategie, die sowohl den Bedürfnissen des Unternehmens als auch den Erwartungen der Gesellschaft gerecht wird.

Dieser Prozess ist nicht nur für die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen essenziell, sondern bietet auch eine strategische Grundlage, um Nachhaltigkeit effektiv in das Kerngeschäft zu integrieren. Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist somit kein reines Instrument der Berichterstattung, sondern sollte unbedingt in den strategischen Prozess integriert werden.

Wie Unternehmen sich vorbereiten sollten
Um sich effektiv auf die CSRD und ESRS vorzubereiten, sollten Mittelständler folgende Schritte in Betracht ziehen:

  • Standortbestimmung: Unternehmen sollten optimalerweise ihre derzeitigen Nachhaltigkeitsmaßnahmen überprüfen und bewerten, um festzustellen, wo sie im Vergleich zu den Anforderungen der CSRD und ESRS stehen. Dabei ist zu beachten, dass jedes Unternehmen bereits bewusst oder unbewusst etwas für die Nachhaltigkeit tut: faire Bezahlung der Mitarbeitenden, Gesundheitsmanagement, Eigenstromproduktion durch eine PV-Anlage, Bezuschussung von öffentlichen Verkehrsmitteln usw.
  • Auswirkungsanalyse/Impact-Analyse: Um den ersten Teil der oben beschriebenen doppelten Wesentlichkeitsanalyse zu erfüllen, sollte ein Unternehmen die Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit untersuchen.
  • Strategische Betrachtung von Nachhaltigkeit: Eine Chancen- und Risikoanalyse zur Nachhaltigkeit sollte als integraler Bestandteil zur Erarbeitung der Unternehmensstrategie betrachtet werden. Ebenso sollte das Geschäftsmodell auf zukünftige Widerstandsfähigkeit untersucht werden und dabei besonders Nachhaltigkeitsaspekte, wie zum Beispiel Klimarisiken betrachtet werden.
  • Planmäßige Umsetzung der Ziele und Maßnahmen: Die erarbeiteten Ziele und Strategien müssen danach in die Tat umgesetzt werden. Dabei umspannen die Maßnahmen in der Regel das gesamte Unternehmen. Gutes Projektmanagement hilft hier bei der effektiven Umsetzung und dem Fortschrittstracking.
  • Entwicklung eines umfassenden Berichtssystems: Unternehmen müssen ein robustes System zur Datenerfassung und -analyse einrichten, um die erforderlichen Informationen für die Berichterstattung zu sammeln.
  • Schulung und Bewusstseinsbildung: Die Mitarbeiter sollten über die Bedeutung von Nachhaltigkeit und die spezifischen Ziele des Unternehmens informiert werden. Dies fördert eine Kultur der Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen. Spezialschulungen für Schlüsselmitarbeitende helfen dabei die nötigen Fachkenntnisse in den Abteilungen aufzubauen und somit den Aufwand breit zu verteilen.
  • Stakeholder-Engagement: Unternehmen sollten mit ihren Stakeholdern, einschließlich Investoren, Kunden und Lieferanten, über ihre Nachhaltigkeitsziele kommunizieren, um Unterstützung und Zusammenarbeit zu fördern.

Das ist für viele erstberichtende Unternehmen mit internen Ressourcen auf den ersten Blick schwer zu stemmen. Wesentlichkeitsanalyse, Resilienzanalyse des Geschäftsmodells, Datenerhebung, die Auswertung und Darstellung sämtlicher Nachhaltigkeitsinformationen sind beim ersten Mal mit großem Aufwand verbunden. Tiefgehende Kenntnisse rund um die relevanten ökologischen Themen wie Klimawandel, Umweltverschmutzung, Ökosysteme, Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft sind unbedingt nötig. Dazu kommen weitreichende Anforderungen für Themen aus den Bereichen Soziales und Governance, um in allen Bereichen der Nachhaltigkeit berichten zu können.

Bei Nichtbeachtung drohen Bußgelder
Durch professionelle externe Beratung können einerseits die fehlenden Fachkenntnisse ergänzt und eine tragfähige Risikobewertung für Unternehmen hergestellt, und auf der anderen Seite Rechtssicherheit vermittelt werden. Kommt ein berichtspflichtiges Unternehmen der Pflicht zur Veröffentlichung der Informationen nicht nach, legte der Vorschlag der Kommission Mindeststrafarten und Prozessvorgaben bei der Strafermittlung fest und es drohen unter anderem behördliche Bußgelder.

Nachhaltigkeitsberichterstattung muss künftig extern geprüft werden
Im Rahmen der CSRD wird eine gleichwertige Behandlung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Vergleich zur Finanzberichterstattung etabliert. Dies wird unterstrichen durch die Tatsache, dass die Informationen zur Nachhaltigkeit im Lagebericht des Jahresabschlusses und in einem für Maschinen lesbaren Format publiziert werden müssen. Analog zum finanziellen Jahresabschluss ist es erforderlich, dass auch die Nachhaltigkeitsdaten einer unabhängigen Prüfung unterzogen und von Prüfern bestätigt werden. In der anfänglichen Umsetzungsphase genügt eine eingeschränkte Prüfungssicherheit (limited assurance). Es ist jedoch vorgesehen, die Prüfstandards schrittweise auf eine umfassendere Prüfungssicherheit (reasonable assurance) zu erhöhen. Diese unabhängige Prüfung, durchgeführt von externen Fachleuten oder Wirtschaftsprüfern, beinhaltet eine gründliche Überprüfung der Daten, Prozesse und Methoden, die für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts verwendet wurden.

Fazit
Die Einführung der CSRD und ESRS ist mehr als nur eine neue regulatorische Hürde; sie ist eine Chance für Unternehmen, ihre Rolle in der Gesellschaft neu zu definieren und sich langfristig nachhaltig zu positionieren. Für mittelständische Unternehmen, die oft flexibler und agiler als große Konzerne sind, bietet dies eine besondere Gelegenheit, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und sich als führende Akteure in Sachen Nachhaltigkeit zu etablieren. Mittelständische Unternehmen, die diese Herausforderung proaktiv angehen und Nachhaltigkeit in den Kern ihrer Geschäftsstrategien integrieren, können nicht nur ihre Compliance sicherstellen, sondern auch langfristig von niedrigeren Kapitalkosten, neuen Geschäftsmodellen profitieren und auch ihre Marktstellung durch innovative, nachhaltige Lösungen langfristig stärken.

Die Autorin
Diplom-Chemieingenieurin Patricia Moock, zertifizierte Klimaschutzbeauftragte und Mitgründerin sowie Geschäftsführerin der 4L Impact Strategies GmbH, bringt umfangreiche Erfahrungen aus dem produzierenden Mittelstand und Konzernen in der Integration von Nachhaltigkeit in Unternehmensstrategien mit. Ihre Beratungsgesellschaft, 4L Impact Strategies GmbH, spezialisiert sich darauf, mittelständische Unternehmen bei der zuverlässigen Einbettung von Nachhaltigkeitsaspekten in ihre Kernstrategien zu unterstützen und sie bei der Umsetzung zu begleiten – mit pragmatischen und wirksamen Ansätzen.

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