Prof. Dr.-Ing. Peter Sommer
Md Kausar Rahman, B.Sc.
Einleitung
Bei der Wärmebehandlung in wasserstoffhaltigen Atmosphären kommt es je nach Temperatur, Behandlungsdauer und Gaszusammensetzung zu einer unvermeidbaren Wasserstoffaufnahme. Eine nachfolgende Anlassbehandlung kann diesen absorbierten Wasserstoff ganz oder teilweise wieder effundieren. Diese allgemeine Kenntnis kann zwar als bekannt vorausgesetzt werden, jedoch sind quantitativ belegte Werte konkreter Wärmebehandlungsprozesse in den seltesten Fällen bestimmt worden. Im Rahmen dieses T.F.W.W.-Projekts wurde daher diese Kenntnislücke bei den teilnehmenden Unternehmen mit den durchgeführten Wärmebehandlungsprozessen geschlossen. Insgesamt wurden 29 unterschiedliche Prozesse untersucht und bewertet.
Kenntnisstand
Bei den in Bild 1 aufgelisteten Reaktionsgleichungen wird der Wasserstoff stets nur als molekulares Endprodukt aufgeführt. Tatsächlich kommt es aber bei den einzelnen Reaktionsteilschritten zur Bildung von atomarem Wasserstoff, der dann von der Oberfläche absorbiert werden kann. Auf dieses Missverständnis wiesen Streng, Grosch und Razim bereits 1987 hin und veröffentlichten Ergebnisse zur Wasserstoffaufnahme und -abgabe beim Einsatzhärten und Anlassen [1]. Zahlreiche Schadensfälle ließen in der Vergangenheit den schädigenden Einfluss des bei der Wärmebehandlung absorbierten Wasserstoffs erkennen [2]. Die Ursachen für die Ausfälle waren sehr unterschiedlich. Um den Einfluss ausschließlich der Wärmebehandlung gezielt zu bewerten, dürfen galvanisch nachbehandelte Bauteile nicht berücksichtigt werden.
Bild 1: Reaktionsgleichungen in Ofenatmosphären mit Wasserstoff
Bauteile aus dem Werkstoff C15E + Bor mit einem Montagegewinde wurden seit vielen Jahren carbonitriert, einsatzgehärtet und bei 130°C 90 min angelassen. Es kam zu zahlreichen wasserstoffinduzierten Sprödbrüchen wenige Stunden nach der Montage. Aus Gründen eines Lieferengpasses sind diese Bauteile wenige Stunden nach der Einsatzhärtung verbaut worden. Die Wasserstoffabsorption beim Carbonitrieren dürfte bei den früheren Behandlungslosen identisch gewesen sein und die unzureichende Effusion bei der sehr niedrigen Anlasstemperatur ebenfalls. Dies bedeutet, dass die Bauteile schon immer mit einer sehr hohen Wasserstoffrestmenge ausgeliefert wurden. Die früheren Behandlungslose wurden allerdings über mehrere Wochen gelagert bevor sie verbaut wurden.
Diese Lagerung war keine bewusste Lagerung zur Effusion des Wasserstoffs, sondern allein durch die Montagetermine bestimmt. Durch Wasserstoffmessungen nach Abschluss der Wärmebehandlung und nach einer 30-tägigen Lagerung konnte der Einfluss der Lagerungsdauer nachgestellt werden. Nach dem Einsatzhärten und Anlassen wurde ein Wasserstoffgehalt von 3,0 bis 3,8 ppm an fünf Bauteilen bestimmt. Die Erhöhung der Anlasstemperatur auf 180°C führte bereits zu einer deutlichen Effusion und die Wasserstoffgehalte lagen bei 1,3 bis 1,8 ppm.
Nach einer Lagerungsdauer von 30 Tagen hatte sich bei den niedrig angelassenen Bauteilen der Wasserstoffgehalt auf 1,2 bis 1,9 ppm reduziert. An einem anderen, sehr dünnwandigem und einsatzgehärtetem Bauteil gab es ebenfalls wasserstoff – induzierte Sprödbrüche im Feldeinsatz und aufgrund der zuvor gemachten Erfahrungen wurde bei diesen Bauteilen eine 6-wöchige „Quarantäne“ festgelegt. Um einen wasserstoffinduzierten Sprödbruch zu verursachen, sind äußere Lasten nicht in allen Fällen erforderlich. Bei einsatzgehärteten und unzureichend angelassenen Zahnrädern mit einem Kopfkreisdurchmesser von 350 mm reichten die Eigenspannungen aus, um an einem Wochenende 80 Zahnräder durch Wasserstoffbrüche zu zerstören.
Ein weiterer Schaden ergab sich an einem großen Stirnrad mit einem Gesamtgewicht von 4,2 t. Dieses Zahnrad wurde zwar ausreichend hoch und lange angelassen, jedoch erfolgte die Anlassbehandlung erst nach 7 Arbeitstagen. Dies führte im gesamten Volumen zu einer massiven Bildung von Rissen, die bei der Ultraschallprüfung entdeckt wurden.
Eine unzureichende oder zu spät durchgeführte Anlassbehandlung birgt eine hohe Rissgefahr bzw. Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Gefahr eines wasserstoffinduzierten Sprödbruchs erhöht sich noch, wenn oberflächennahe Makroeinschlüsse vorliegen, die ein großes Speichervolumen für den Wasserstoff ermöglichen.
Ein völlig anderes Schadensbild lag an kaltumgeformten Näpfchen vor, Bild 2 [3]. Während des Carbonitrierprozesses war es zu einem Defekt am Ammoniak-Magnetventil gekommen, weshalb unkontrolliert hohe Ammoniakmengen in den Ofenraum geleitet wurden. Unterhalb der Oberfläche sammelte sich eine so hohe Wasserstoffmenge an, dass die Volumenvergrößerung bei der Rekombination des atomaren Wasserstoffs zu molekularem Wasserstoff diese Blasenbildung verursachte. Blasenbildungen waren bislang nur bei Beizbehandlungen von weichen Stählen beobachtet worden.
Bild 2: Blasenbildung nach dem Carbonitrieren und Einsatzhärten
Beschreibung der Prüfbedingungen
Den an diesem Projekt teilnehmenden Lohnhärtereien und Wärmebehandlungsbetrieben wurden standardisierte Prüfteile übersandt, Bild 3. Diese Prüfteile wurden zusammen mit Produktionschargen wärmebehandelt. In Abstimmung mit dem Produktionstermin wurden den Unternehmen versandfähige Trockeneisbehälter übersandt. Ein Prüfteil wurde unmittelbar nach dem Abschrecken im Trockeneis tiefgekühlt und das zweite Prüfteil nach Abschluss der Anlassbehandlung.
Bild 3: Abmessung des Prüfteils
Die Wärmebehandlungen waren so terminiert, dass der Rückversandt der tiefgekühlten Prüfteile jeweils am Mittwoch mittels UPS erfolgte und am Donnerstag bis 9.00 Uhr angeliefert wurde, Bild 4. Folgende Stahlsorten wurden für die Prüfteile verwendet
Bild 3: Schematische Darstellung des Versuchsablaufs
Zusätzlich wurden von verschiedenen Unternehmen auch eigene Prüfteile, z.B. Schrauben, Sintermetallritzel, eigene Stahlsorten mit abweichenden Abmessungen wärmebehandelt und mit dem gleichen Procedere übersandt. Die jeweiligen Prüfteildaten wurden bei der Ergebnisbeschreibung aufgeführt. Die Wasserstoffmessungen erfolgten unmittelbar nach Ankunft der Prüfteile. Dabei wurden stets die nicht angelassenen Prüfteile zuerst vermessen. Wenn die Wasserstoffmessungen nicht an einem Tag abgeschlossen werden konnten, erfolgte eine Tiefkühlung in flüssigem Stickstoff bis zum Folgetag. Spätestens am Folgetag wurden alle Messungen abgeschlossen. Die Messungen wurden nach einiger Zeit wiederholt. Die Lagerung der Prüfteile bis zur neuerlichen Wasserstoffmessung erfolgte bei Raumtemperatur.
Bild 3: WasserstoffMesseinrichtungen links: Heißgasextraktion: ca. 20 g Einwaage 400 °C 30 min rechts: Schmelzextraktion: ca. 2 x 1 g Einwaage aufschmelzen
Die Bestimmung des Wasserstoffgehalts erfolgte nach der Methode der Schmelz- und Heißgasextraktion entsprechend der akkreditierten Verfahrensanweisung VA7-13:2016-10, Bild 5. Bei der Schmelzextraktion wird der Gesamtwasserstoffgehalt ermittelt, bei der Heißgasextraktion der diffusionsfähige Wasserstoffgehalt. Das Messverfahren wurde mit reinem Wasserstoff kalibriert und mit einem Eichstandard 2,5 ±0,2 ppm vor jeder Messreihe und nach 2 Messungen überprüft. Im Rahmen dieses Projekts wurden insgesamt 29 Wärmebehandlungsprozesse untersucht und bewertet. Hierzu zählten:
Die Ergebnisse sind in einem Abschlussbericht zusammengefasst, der kostenpflichtig erworben werden kann. Ferner ist eine Überprüfung firmeneigener Prozesse mit den gleichen Prüfstücken auch jetzt noch möglich.
Gleich zwei unserer Werkstoffprüfer haben in diesem Sommer Ihre Ausbildung zum Werkstofftechniker erfolgreich
Eine für die Wärmebehandlung der Stähle sehr wichtige Eigenschaft ist deren Härtbarkeit. Die
Die Ausgabe 4 eines jeden Jahres informiert stets über den HärtereiKongress (früher HärtereiKolloquium).
Für Anfragen, Fragen oder Anmerkungen melden Sie sich gerne bei unserem Ansprechpartner für Werkstoffprüfung und Seminare, Jens Sommer.
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